Knochenschnitzer und Knopfmacher in Fürth

Aus AG Archäologie Fürth

Knochenschnitzerhandwerk

Die aufgefundenen Werkstattreste aus Knochen, die 1997 bei archäologischen Grabungen in der Pfarrgasse entdeckt wurden, lassen sich zeitlich in die 2. Hälfte des 17. bis ins frühe 18. Jahrhundert einordnen und fallen damit in die chronologische Nähe des historisch nachweisbaren Drechslers und Grundstückbesitzers im Ochsenhöflein, sowie dessen Nachbarn, einem "Bein Drexler". Zu unterscheiden ist Werkstattabfall aus der Materialvorbereitung von Abfällen aus der Produktion.

Pfarrgasse: Werkstattabfall aus der Materialvorbereitung. Die Gelenkstücke der Knochen wurden abgesägt, die röhrenartigen Mittelstücke aufgespalten. An einem Stück lassen sich deutliche Schnitzspuren zur Entfernung von Spongiosaresten beobachten, das sind die schwammartigen Innenbereiche der Knochen. Damit war die Vorgabe für die Materialstärke bestimmbar und der Werkstoff zur Weiterverarbeitung fertig. Der Bohrabfall aus der Produktion ist teilweise mit Ausbruchspuren versehen, daß auf einzelne Schritte des Arbeitsablaufes geschlossen werden kann.

Das Material

Leider ist das Knochenmaterial der Pfarrgasse bisher noch nicht bestimmt worden. Eine Überprüfung der Fundstellen in verschiedenen Städten, an denen vergleichbarer Werkstattabfall gefunden wurde, läßt aber erkennen, daß die abgesägten Gelenkteile überwiegend von Rinderknochen stammen , also ein hoher Anteil an Rinderknochen verarbeitet worden ist. Nun wollte es der Zufall, daß in den Pfingstferien 2000 der Boden einer Klasse im Erdgeschoß der Grundschule am Kirchenplatz erneuert werden mußte und bei diesen Bauarbeiten abgesägte Gelenkteile von Rinderknochen gefunden wurden. Offensichtlich war dieser Werkstattabfall mit Bauschutt und anderen Abfällen in das Anschüttungsmaterial des Hanges am Ausgang der Pfarrgasse gekippt worden, bevor das Vorgängergebäude 1817/18 errichtet wurde. Damit sind die Knochen zwar ca. 100 Jahre jünger als das oben besprochene Material, der Hinweis des Häuserchronisten Gottlieb Wunschel, daß 1821 der Drechslermeister Johann Held Eigentümer des Anwesens Pfarrgasse 5 war, läßt aber vermuten, daß die Verarbeitung von Rinderknochen in dieser Gasse in einer langen Tradition stand. 1827 bekam die Gasse die Bezeichnung "Pfarrgasse", woher die Bezeichnung "Ochsenhöflein" stammte, konnte sich auch Gottlieb Wunschel nicht erklären. Die Wiederauffindung von Werkstattabfällen, die auf eine Verarbeitung von Rinderknochen schließen lassen, sollte nach dem oben gesagten unbedingt berücksichtigt werden, wenn man nach den Ursprüngen der Bezeichnung "Ochsenhöflein" sucht.

Die weitere Produktpalette

Ein anderes Produkt aus der Knochenverarbeitung ist der Läusekamm mit seinen fein gesägten, kurzen Zinken. Dieses Gerät gibt eine Vorstellung von den hygienischen Verhältnissen des 17./18. Jahrhunderts. Im Sterberegister des Pfarramts St. Michael findet sich der Eintrag über den Müller Andreas Wäschenfelder vom 4. September1624: "ein man bey 40 jaren, alhie zu Fürth, ist schier von den leusen gefressen worden ..." . Der einlagige Doppelkamm aus der Pfarrgasse und die ausgebrochenen Zinken eines vergleichbaren Kammes von der Wilhelm-Löhe-Str. 18 sind Zeugen dieser Verhältnisse.

Knopfmacherhandwerk

Die Vermutung, daß hier Knöpfe ausgedreht wurden, legt ein Knochenknopf vom Fundplatz Wilhelm-Löhe-Str. 18 nahe, der in den Drehradius eines der Werkstattreste paßt und dem gleichen Zeithorizont angehört. Er stammt aus dem Anschüttungspodium des Vorgängergebäudes von Wilhelm-Löhe-Str. 18, von dem es auf dem Siedlungsplan von Johann Georg Vetter 1717 heißt, daß es neu errichtet worden sei . Ein Vergleichsfund liegt uns vom Burgstall Niedersenftenberg bei Gunzendorf, Lkr. Bamberg vor, dessen letzte historische Erwähnung von 1728 stammt, als die Burgstelle zum Abbruch verkauft wurde. Die handwerkliche Tätigkeit des Knopfmachers kann mit der des Rosenkranzperlenmachers, des sogenannten "Paternosterers" verglichen werden wie er uns aus Darstellungen des Hausbuches der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung zu Nürnberg aus dem 15. Jahrhundert bekannt ist.

Der historische Hintergrund

Das historisch sehr früh greifbare Drechslerhandwerk hatte in bestimmten Bereichen Spezialisten hervorgebracht, über die aus den Quellen zwar weniger bekannt ist, zu denen aber durchaus die Knopfmacher zu rechnen sind. Sie waren im engeren Sinne zwar keine Dreher, die ein Werkstück bearbeiteten, sondern Spezialisten des Hohlbohrens, die aus einem Werkstoff etwas heraus drehten, dennoch fällt es aufgrund ihrer technischen Fertigkeiten schwer, hier einen Unterschied zu machen. Nach dem Chronisten Fronmüller werden Drechsler in Fürth erstmals um 1700 ansässig . 1717 besitzt der "Trexler Wagner" bereits drei Anwesen im Ochsenhöflein (heutige Pfarrgasse) . Als Spezialisten können ein namentlich nicht bekannter Metallknopfdrechsler und der "Bein Drexler Walter" angeführt werden , der am Eingang zum später so bezeichneten "Roßnershof" in der Gustavstraße wohnte. Letzterer hatte sich offensichtlich auf die Verarbeitung von Knochen spezialisiert. Recht früh genießen Drechsler hohes Ansehen im Ort. So ist beispielsweise der Drechslermeister Heinrich Schneider 1727/28 als einer der drei dompröpstischen Bürgermeister bekannt . Dieses Amt setzte voraus, daß er mindestens im Besitz eines viertel Hofes sein mußte, eines Wohlstandes, den auch der Wagner im Ochsenhöflein durchaus vorweisen konnte. 1718 bekamen Fürther Drechsler eine bambergisch-dompropsteiliche, 1759 eine ansbachische Handwerksordnung. Als Fürth 1791 preußisch wurde, gab es 96 Drechsler.

1604 erwähnte der Dinkelsbühler Zeuch- und Teppichmacher, Jakob Feßlein, einen Perlenmacher in Fürth . Da er aber offen ließ, mit welchem Material dieser Perlenmacher zu tun hatte – die Herstellung von Glasperlen erforderte ganz andere technische Kenntnisse – kann nicht gesagt werden, ob damals bereits Perlen aus Holz oder Knochen ausgedreht wurden. Die Abfälle aus der Pfarrgassse lassen erkennen, daß der Werkstoff nur einseitig durchbohrt wurde und nicht wie bei den Rosenkranzperlen von zwei Seiten, daß auf halber Drehhöhe eine Stoßnaht sichtbar wird. Konnte der Hohlbohrer die Materialstärke nicht vollständig durchbohren, wurden die Knopfrohlinge aus dem Werkstoff heraus gedrückt. Technisch waren Knopfmacher und Paternosterer gleich ausgerüstet. In ihrer Werkbank konnte die horizontal angebrachte Spindel mit dem Hohlbohrer, die sich mit einem Bogenantrieb in zwei gegensätzliche Richtungen bewegen ließ, mit dem Knie gegen das Werkstück gedrückt werden. Als Führung hatte der Hohlbohrer einen zentralen Dorn, der durch den Rohling durchgesteckt und von einem Lager in der Werkbank gehalten wurde; das erklärt die zentralen Löcher der Knöpfe, die zudem auf der Schauseite verstärkt sind. Hier wird die Nähe zum Drechslerhandwerk deutlich, denn sowohl die konzentrischen Verzierungsriefen als auch die Lochverstärkung mußten gedrechselt werden. Ungeklärt bleibt, ob dieser Prozeß vor oder nach dem Ausdrehen der Knöpfe vorgenommen wurde. Zum Schluß hat man die vier Knopflöcher gebohrt. Festzuhalten bleibt aber, daß sich mit gleicher Ausstattung je nach Auftragslage sowohl Perlen als auch Knöpfe herstellen ließen.